Kennen Sie auch jene Menschen, die von sich sagen: „Ich habe beruflich alles erreicht, was ich wollte. Jedes Ziel, jeden Wunsch habe ich erfüllt und aus eigener Kraft erarbeitet. Ich verstehe nicht, warum ich dennoch unglücklich bin.“ Woran das Unglück liegt, ist einfach erklärt: Diese Personen vermengen zwei ganz unterschiedliche Dinge miteinander: Wünsche und Bedürfnisse.
Zu diesem Thema eine kurze Erklärung: Wünsche kommen vom Wort „wollen“, Bedürfnisse vom Wort „brauchen“. Zwischen den beiden Wörtern gibt es einen eklatanten Unterschied, den Sie unbedingt kennen sollten:
- Bedürfnisse sind alle Dinge, die Sie brauchen, um glücklich zu sein. Hier dürfen Sie keine Kompromisse eingehen. Bedürfnisse müssen zu jeder Zeit zu 100 Prozent befriedigt sein, sonst können Sie mit Ihrer Situation nicht zufrieden sein. Bedürfnisse sind enorm wichtig und für Ihr Lebensglück essenziell.
- Wünsche sind alle Dinge, die Sie sich wünschen, erhoffen, erträumen oder einfach wollen. Ein Wunsch, der nicht in Erfüllung geht, spielt im Grunde keine Rolle. Es wäre zwar schön, muss aber im Gegensatz zu Befriedigung von Bedürfnissen nicht sein. Einen Wunsch erfüllt zu bekommen, ist „nice to have“. Wird ein Wunsch nicht erfüllt, geht davon die Welt nicht unter.
Sie müssen daher eine ganz klare Linie zwischen Wünschen und Bedürfnissen ziehen. Ich empfehle dafür folgende Übung: Schreiben Sie in eine Spalte die Überschrift „Wünsche“, und beantworten Sie für sich folgende Frage: „Um 100 Prozent glücklich zu sein, wünsche ich mir:“ Notieren Sie alles, was Sie sich wünschen: Mehr Geld, ein neues Auto, eine Weltreise, ein schöneres Zuhause, und so weiter.
Schreiben Sie in die zweite Spalte die Überschrift „Bedürfnisse“. In dieser Spalte notieren Sie alles, was diese Frage beantwortet: „Um 100 Prozent glücklich zu sein, brauche ich:“ Ein paar Beispiele: eine liebevolle Partnerschaft, ein schönes Zuhause, Ersparnisse, Ruhe und Zeit für mich und meine Hobbys, gute Gespräche mit gebildeten Menschen, und so weiter.
Was Sie als Wunsch oder als Bedürfnis kennzeichnen, liegt völlig bei Ihnen. Stellen Sie sich einfach vor, wie Sie sich fühlen würden, wäre dieser Punkt nicht erfüllt. Wie würde es Ihnen dann gehen? Wenn Sie ohne dieses Thema nicht zu 100 Prozent glücklich wären, zählt es zu den Bedürfnissen. Wenn Sie darauf auch verzichten können, ist es ein Wunsch.
Natürlich gibt es auch finanzielle Wünsche und Bedürfnisse. Klären Sie für sich: Wie viel Geld bräuchten Sie am Konto und als monatliches Einkommen, um sich zu 100 Prozent sicher und wohl zu fühlen, um Ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten? Wie viel Geld wünschen Sie sich? Sie dürfen ruhig groß wünschen. Sollten Sie Ihren Wunsch, Ihr Ziel nicht erreichen, spielt es keine Rolle. Wichtig ist nur, dass Sie immer so viel Geld zur Verfügung haben, um Ihre finanziellen Bedürfnisse zu befriedigen.
Diese Aufstellung von Wünschen und Bedürfnissen ermöglicht Ihnen, neue Chancen rasch beurteilen zu können. Wenn Sie etwa ein neues Jobangebot erhalten, prüfen Sie es anhand Ihrer Liste: Wenn das Angebot all Ihre Bedürfnisse befriedigt und vielleicht sogar ein paar Wünsche erfüllt, können Sie es getrost annehmen. Bei den Wünschen dürfen Sie ruhig Kompromisse eingehen, bei den Bedürfnissen aber niemals.
Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel geben: Eine Dame war Mutter eines kleinen Sohns. Jeden Tag musste sie ihn um Punkt 16 Uhr vom Kindergarten abholen. Als sie eine neue Position als Marketingleiterin annahm, vereinbarte sie mit ihrem Geschäftsführer, dass sie schon früher aus dem Büro gehen müsse, um ihren Sohn abzuholen. Ab 18 Uhr könnte sie sich wieder an den Computer setzen, da dann ihr Mann das gemeinsame Kind zu Hause betreuen konnte.
Ein paar Wochen ging die Geschichte gut, doch dann kam der Geschäftsführer mit einer Bitte auf sie zu: „Könnten Sie nicht vielleicht bis 17 Uhr bleiben? Ich habe schon manche kritischen Stimmen der Kolleginnen gehört, dass Sie jeden Tag so früh Schluss machen. Ich kann Ihnen dafür auch eine Gehaltserhöhung von 10 Prozent anbieten. Aber Ihre Sonderregelung bringt sonst so viel Unruhe ins Team.“ Die Dame meinte darauf: „Das ist leider ausgeschlossen. Ich habe zwischen 16 und 18 Uhr keine Zeit für die Arbeit, sondern muss mich um meinen Sohn kümmern, wie wir es auch vereinbart hatten. Ein höheres Gehalt löst dieses Problem nicht.“ Die beiden konnten sich nicht einigen, und die Frau musste einen anderen Job annehmen.
Einen wichtigen Punkt können wir anhand dieser Geschichte lernen, den Sie unbedingt beherzigen müssen. Ich betone diesen Punkt besonders, da hier viele Menschen entscheidende Fehler machen. Sie dürfen niemals und unter keinen Umständen versuchen, ein nicht befriedigtes Bedürfnis durch die Erfüllung eines Wunschs auszugleichen. Das funktioniert einfach nicht.
Der Geschäftsführer versuchte, der Frau ein höheres Gehalt zu bezahlen, um ihr einen Wunsch zu erfüllen. Allerdings hatte sie das Bedürfnis, zeitlich flexibel zu bleiben. Wäre die Frau auf diese Vereinbarung eingegangen, hätte sie zwar mehr verdient, wäre aber immer unzufrieden geblieben. Tauschen Sie niemals ein unbefriedigtes Bedürfnis gegen einen erfüllten Wunsch.
Wenn Ihnen jemand begegnet, der alles im Leben hat, das er sich jemals gewünscht hat und dennoch unzufrieden ist, stellen Sie die Frage: „Du hast zwar alles, was Du willst. Aber hast Du auch alles, was Du brauchst?“ Viele Menschen machen sich intensive Gedanken, was sie sich wünschen. Dabei wäre die Erkenntnis viel wichtiger, alles zu haben, was sie brauchen.
Über den Autor:
Dr. Conrad Pramböck ist Gehaltsexperte und Geschäftsführer von Upstyle Consulting. Er berät seit über 20 Jahren Unternehmen und Privatpersonen weltweit zu Gehalts- und Karrierefragen. Er ist Lektor an mehreren Fachhochschulen und mehrfacher Buchautor. Seine aktuellen Bücher sind „Die Kunst der Gehaltsverhandlung“ und „Cash oder Hungertuch“.